Aktionstage Psychische Gesundheit 2022

Referat und Podiumsdiskussion «Erste Hilfe für psychische Gesundheit»

Im Rahmen der «Aktionstage Psychische Gesundheit» führt das SRK Kanton Aargau eine kostenlose Veranstaltung mit Referat und Podiumsdiskussion durch zum Thema «Erste Hilfe für psychische Gesundheit». Zudem beantwortet Regula Kiechle, Geschäftsführerin SRK Kanton Aargau und zertifizierte Instruktorin Erste Hilfe für psychische Gesundheit ensa, im Interview wichtige Fragen rund um das Thema.
Regula Kiechle ist Kurs-Instruktorin ensa und lehrt, wie man rechtzeitig psychische Probleme erkennen und Erste Hilfe leisten kann.

Die kostenlose Veranstaltung findet am 4. Oktober 2022 von 18 bis 20 Uhr statt. Alle weiteren Informationen finden Sie hier. 


Frau Kiechle, wie viele Menschen in der Schweiz haben ernsthafte psychische Probleme?
Erhebungen zeigen, dass gegen 18 Prozent der Bevölkerung direkt von psychischen Problemen betroffen sind.

Wie kann ich «als Laie» erkennen, ob jemand psychische Probleme hat und Unterstützung benötigt?
Lassen sich bei Mitmenschen erhebliche Veränderungen des Verhaltens – und dies über eine längere Zeit – beobachten wie beispielsweise Rückzug, Antriebslosigkeit, Essstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Selbstverletzung, dann besteht Grund zur Annahme, dass jemand mit einer psychischen Belastung zu kämpfen hat.

Wie spricht man das Thema der betroffenen Person gegenüber an?
Wie auch bei anderen persönlichen Gesprächen ist der passende Rahmen bezüglich Ort und Zeit zu wählen. Oft bewährt es sich, ein Treffen zu vereinbaren: «Du, hast du mal Zeit für einen Kaffee? Ich möchte mit dir etwas in Ruhe besprechen.» Beim Gespräch soll die Besorgnis über die Beobachtungen klar und wertfrei angesprochen werden.

Wie kann ich denn überhaupt als Nicht-Fachperson unterstützen?
Der Grundsatz gilt: Nur nichts tun ist falsch. Menschen in einer psychisch angespannten Situation fühlen sich oft ohnmächtig und beschämt. Sie erleben, wie ihnen die Situation aus den Händen zu gleiten scheint. Echtes Interesse, Verständnis und das konkrete Angebot, über die Gefühle reden zu dürfen – ohne sich dafür schämen zu müssen –, ist für viele Betroffene der erste Schritt in Richtung Heilungsprozess. Im Kurs Erste Hilfe für psychische Gesundheit lernen und üben die Teilnehmenden das praktische Vorgehen. Zudem werden wertvolle Hintergrundinformationen zu psychischen Störungen und Krankheiten gut verständlich vermittelt.

Und was, wenn der, die Betroffene meine Hilfe nicht annehmen will?
Ersthelferinnen und -helfer bei einer psychischen Störung amten stets als eine Art Vermittlerin oder Ermutiger, um fachkundige Unterstützung in passender Form auszuwählen. Sie sind keine Hobby-Psychologen. Ist jemand aktuell nicht in der Lage, auf das Angebot einzugehen, ist dies zu respektieren. Sicher darf zu einem späteren Zeitpunkt ein weiterer Versuch unternommen werden. Jemanden diesbezüglich zu bedrängen oder zu schulmeistern, ist kontraproduktiv. Geht es um eine akute psychische Notsituation, Krise oder gar Lebensgefahr, dann gilt wie immer: Nothilfe 144 und Betroffene nicht alleine lassen, bis professionelle Hilfe vor Ort ist.

Sind psychische Probleme und Erkrankungen in unserer Gesellschaft tabuisiert?
Das gilt nicht mehr generell. Hat jemand ein Burn-out, dann sprechen Betroffene heute eher darüber, als dies früher der Fall war. Handelt es sich aber um klassische psychische Erkrankungen, wie beispielsweise eine Schizophrenie oder eine bipolare Störung, so ist die Tabuisierung weiter verbreitet, obwohl die Mehrheit der Betroffenen ein weitgehend normales Leben führen kann.

Was kann zu psychischen Problemen oder Krankheiten führen?
Einerseits können, wie bei allen anderen Krankheiten auch, gewisse erbliche Veranlagungen vorliegen. Andererseits kann es jeden Menschen treffen, wenn die Balance zwischen den lösbaren Aufgaben und Belastungen und den vorhandenen Kräften und Ressourcen über längere Zeit unausgewogen ist und aus dem Ruder läuft. Mein Tipp: Eher zu früh als zu spät Unterstützung und Beratung annehmen. Das ist keine Schande, sondern hilft Betroffenen und dem Umfeld enorm.

10 Schritte zur psychischen Gesundheit (Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz)
Quelle: Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz