Mutschellen

Menschenbibliothek in der Kreisschule

Am letzten Freitag erlebten 65 Schülerinnen und Schüler, 3 Lehrpersonen, 4 Rotkreuz-Mitarbeitende und 10 Menschenbücher spannende, wie auch emotionale Momente an der ersten Menschenbibliothek in der Kreisschule Mutschellen.

Mutschellen, 20.11.2018

Eingeladen zu diesem aussergewöhnlichen Anlass am Tag der Toleranz und Unparteilichkeit hat das Aargauer Rote Kreuz. Die Idee dahinter so trivial aber ebenso wirksam. Durch das Schaffen von Begegnung, Austausch und Kontakt werden eigene Erfahrungen gesammelt und Vorurteile gegenüber Menschengruppen abgebaut.

Begegnungen schaffen, Vorurteile abbauen

Das Aargauer Rote Kreuz setzt sich für benachteiligte Menschen im Kanton Aargau ein. Zu diesen zählen unter anderem Menschen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen wie auch Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund. Ob Asylsuchender, Rollstuhlfahrerin oder psychisch Erkrankte, viele dieser Menschen erleben im Alltag Diskriminierung und Intoleranz aufgrund von Vorurteilen. «Wir haben Vorurteile gegenüber Personen, Personengruppen, einer Situation oder einem Sachverhalt» erklärt Erkan Cokicli vom Aargauer Roten Kreuz während der Einführung den gespannten Schülern: «Unser Gehirn kategorisiert, um rasch einfache Lösungen liefern zu können.» Dieses Vorgehen erleichtert es dem Menschen, im Alltag klar zu kommen, führt jedoch aber auch dazu, dass wir ohne eigene Erfahrungen und mehr Informationen vorschnell ein Urteil, also ein Vorurteil, fällen. Zehn Menschenbücher, allesamt Klientinnen und Klienten des SRK Kanton Aargau, stellen sich dem Austausch mit 65 Schülerinnen und Schülern, beantworten deren Fragen und erzählen von eigenen Schicksalsschlägen. Die Schüler hören versteinert, aber fasziniert zu und sind sichtlich berührt von den emotionalen Schilderungen der Menschenbücher. 

«Ich erlebe täglich Diskriminierung»

«Wir haben das Ganze im Vorfeld thematisiert und die Schülerinnen und Schüler auf den Anlass vorbereitet» erzählt Andreas Olander, Klassenlehrpeson an der Kreisschule Mutschellen (KSM). Der Anlass war für alle sehr eindrücklich, sind sich die drei Klassenlehrpersonen einig. «Ein solcher Nachmittag ist sehr viel wert. Das können wir im Unterricht gar nicht so rüberbringen. Wir werden das Thema aber definitiv weiterverfolgen», ergänzt Olander.

Zehn Menschenbücher bringen zwar zehn Lebensgeschichten aber noch viel mehr Alltagsgeschichten mit. Gespannt hören alle zu, während ein Menschenbuch von einem aktuellen Erlebnis erzählt: «Ich erlebe täglich Diskriminierung. Erst kürzlich wollte ich in den Zug einsteigen, da hat eine Frau hinter mir gerufen: ‚Hey Ausländer, zuerst dürfen Schweizer einsteigen und erst dann du‘.» An solche Aussagen gewohnt, habe er sich im Zug zur besagten Dame gesetzt und mit ihr das Gespräch gesucht, leider ohne sichtbaren Erfolg. «Solche Dinge versuche ich sofort wieder zu vergessen, denn ich erlebe so viel Gutes von so vielen Menschen. Daran möchte ich mich erinnern und mich festhalten. Aber ich habe Freunde, die unter solchen Feindseligkeiten leiden» erzählt er weiter.

Umso wichtiger ist es dann, dass Begegnungen geschaffen und eigene Erfahrungen gemacht werden, sodass Vorurteile abgebaut werden können. Marlies De Cataldo, Mitarbeiterin des SRK und Organisatorin der Veranstaltung, freut sich über den Erfolg des Anlasses: «Es gab viele bewegende Momente. Die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerpersonen aber auch die Menschenbücher und wir Mitarbeitende nehmen so viel mit von diesem Anlass».