Ein Dienst, bei dem es nicht nur ums Schreiben geht

Ein Formular ausfüllen, ein Bewerbungsdossier erstellen, einen Mietvertrag aufsetzen – Daniel Gerber ist einer von elf Freiwilligen, die beim Rotkreuz-Schreibdienst in Baden Klienten und Klientinnen mit solchen Anliegen weiterhelfen.
Mit Rat und Tat: Daniel Gerber hilft den Klienten des Rotkreuz-Schreibdienstes beim Verfassen und Verstehen von offiziellen Schreiben.

Baden, 27.04.2018

Soeben hat ein junges Paar mit seinem Baby im Sitzungszimmer der Rotkreuz-Regionalstelle in Baden Platz genommen. Der Mann zeigt Daniel Gerber ein Schreiben des Sozialdienstes und erklärt in gebrochenem Deutsch, dass er und seine Frau sich scheiden lassen möchten. Was er denn jetzt tun müsse, fragt er den Freiwilligen des Schreibdienstes.

Daniel Gerber, sind die Anliegen der Schreibdienstklienten immer so komplex?

Daniel Gerber: Nein, viele Kunden und Kundinnen brauchen Hilfe beim Verstehen von offiziellen Briefen. Behörden schreiben meist in ihrem Jargon und die Leute sind nicht sicher, was genau gemeint ist oder wie sie reagieren müssen. Andere brauchen Unterstützung beim Ausfüllen eines Formulars, beim Erstellen von einfachen Schreiben oder beim Bewerbungsprozess. Das ist alles kein Problem. Der Schreibdienst ist sehr vielseitig, wodurch die Freiwilligen ihr spezifisches Wissen gut einsetzen können. Bei komplexeren Sachverhalten wie einer Klage oder einem Asylentscheid, den man anfechten möchte, verweisen wir die Leute an die unentgeltliche Rechtshilfe der Gemeinden. Es ist also auch wichtig, seine Grenzen zu kennen.

Bei dem Paar, das sich scheiden lassen möchte, notiert Gerber erst einmal die Eckdaten: Nationalität, Alter und Art des Anliegens. Da die Beratung vertraulich ist, lässt er Namen und Adresse weg. Danach zieht der 39-jährige Immobilienbewirtschafter das Internet zu Rate und zeigt den Klienten nach kurzer Suche ein Beispiel für ein Scheidungsbegehren. Er erläutert die unterschiedlichen Punkte und schafft es dabei, auch Wörter wie Unterhaltszahlung oder Sorgerecht einfach verständlich zu machen.

Was motiviert Sie, sich in Ihrer Freizeit mit dem Ausfüllen von Formularen und behördlichen Anliegen zu befassen?

Gerber: Bei meinen Einsätzen für den Schreibdienst lerne ich die unterschiedlichsten Menschen und Lebenssituationen kennen und kann meine Talente nutzen, um jemandem direkt zu helfen. Ich erlebe oft, wie jemand bedrückt zur Tür hereinkommt und kurze Zeit später mit einem Lächeln nach Hause geht. Manchmal ohne dass ich effektiv helfen konnte. Allein die Tatsache, dass wir zuhören und ihr Anliegen ernstnehmen, gibt den Leuten ein gutes Gefühl. Das finde ich toll und faszinierend zugleich.

Auch das junge Noch-Ehepaar ist sichtlich erleichtert, als es den Schreibdienst an diesem Abend mit einem ausformulierten Scheidungsbegehren verlässt. Daniel Gerber räumt noch das Sitzungszimmer auf und fragt sich derweil bereits, was für spannende Begegnung ihn wohl bei seinem nächsten Einsatz erwarten.

Der Rotkreuz-Schreibdienst

Jeden Donnerstag von 17.00 bis 19.00 Uhr helfen Freiwillige in der Regionalstelle Baden des Aargauer Roten Kreuzes (Mellingerstrasse 22, 5400 Baden) Personen mit Leseschwierigkeiten oder mangelnden Sprachkenntnissen beim Verstehen oder Schreiben von offizieller Korrespondenz. Die Klienten können ohne Anmeldung vorbeikommen und bezahlen pro Sitzung lediglich einen Unkostenbeitrag von 5.00 Franken.