Demenz - Was tun, damit die Welt nicht untergeht?

1‘900 Aargauerinnen und Aargauer waren letztes Jahr mit der Diagnose Demenz konfrontiert. Hanspeter Bacher erzählt, wie er dank Entlastungsangeboten gelernt hat, mit der Krankheit seiner Frau umzugehen.
Lichtblicke im Schatten der Demenz: Auch dank dem Entlastungsdienst des Aargauer Roten Kreuzes kann Gunnhild Bacher noch viel Zeit mit ihrem Mann Hanspeter zu Hause verbringen.

Aarau, 06.10.2017

«Es gibt da ein neues Seniorenzentrum in der Nähe, leider ohne Übernachtungs…»«Was bedeutet das jetzt für mich?», unterbricht Gunnhild Bacher ihren Mann. Bisher hat sich die 75-Jährige nicht am Gespräch beteiligt, ist im Haus auf und ab gegangen. Mal in den Garten, mal in die Küche. Aber jetzt hat sie sich an den Tisch gesetzt und möchte wissen, was da vor sich geht.

«Das hat nichts mit deiner Betreuung zu tun», beschwichtigt Hanspeter Bacher seine Frau. «Das ist nur ein Interview. Für dich ändert sich nichts.» Seine Worte scheinen sie zu beruhigen. Kurze Zeit später steht sie wieder auf und geht in den Garten. «Sie ist oft unruhig», seufzt ihr Mann, der sie seit ihrer Demenzdiagnose vor vier Jahren betreut.

«Gesunde» Partner brauchen Hilfe

Das kennt auch Alexandra Lüthy vom Entlastungsdienst Dementia Care des Schweizerischen Roten Kreuzes Kanton Aargau. Seit einem Jahr kümmert sie sich jeden Donnerstag um Frau Bacher. «Bei ihr muss immer etwas laufen. Wir gehen einkaufen, spazieren, Kaffee trinken, kochen das Mittagessen, spielen Spiele oder machen einen kleinen Ausflug.»

Dass Angehörige dabei an ihre Grenzen stossen, hat die Betreuerin immer wieder erlebt. «Viele warten zu lange, bis sie sich Hilfe holen. Bei meinen Besuchen muss ich oft auch auf den gesunden Partner eingehen, nicht nur auf den Erkrankten.»

«Am liebsten zwei Lüthys»

Er sei aber noch nie am Anschlag gewesen, winkt Herr Bacher ab. «Man hat mir von Anfang an gesagt, dass ich auch auf mich achten muss.» Er habe daher nie Hemmungen gehabt, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Gleich nach der Diagnose hat er seine Frau für ein, zwei Tage in der Woche bei der Tagesstätte des Aargauer Roten Kreuzes in Frick angemeldet. Später wechselte sie auf die Demenzabteilung des Zentrums Ergolz in Ormalingen, das auch Übernachtungen anbietet. Dort verbringt sie mittlerweile drei bis vier Tage pro Woche. An den anderen Tagen kommen Frau Lüthy und Betreuungspersonen einer privaten Spitex zu Bachers nach Hause.

Wer sich frühzeitig Hilfe holt, tue nicht nur sich selbst einen Gefallen, sondern erleichtere auch die Arbeit der Betreuungspersonen, betont Alexandra Lüthy. «Wenn ich Klienten in einer frühen Phase der Demenz kennenlerne, erinnern sie sich später eher an mich.»

Sich anpassen und akzeptieren

Seine Frau erkenne die Rotkreuz-Betreuerin immer, meint Hanspeter Bacher. «Sie erlebt immer einen abwechslungsreichen Tag mit ihr. Am liebsten hätte ich zwei Frau Lüthys.» In der Zeit, die seine Frau im Alterszentrum oder mit Frau Lüthy verbringt, geniesst er die Ruhe, erledigt Büroarbeiten oder unternimmt etwas mit Kollegen.

«Es ist schon eine psychische Belastung, wenn man realisiert, dass man nicht mehr alles mit der Partnerin zusammen machen kann», sagt er und schaut zu, wie seine Frau erneut vom Garten ins Haus tigert. «Auch die Kommunikation wird immer einseitiger. Ich kann es nicht ändern. Man muss lernen, sich den wechselnden Umständen anzupassen und das zu akzeptieren.» Dank den vielfältigen Entlastungsangeboten bleibe ihm aber trotz allem seine persönliche Freiheit und etwas Vergnügen. Das wolle er auch anderen Menschen in seiner Situation klar machen. «Die Welt geht nicht unter, wenn man sich Hilfe holt.»

Klicken Sie hier, um mehr über den Entlastungsdienst zu erfahren oder rufen Sie uns an: 062 544 03 03

Sehen Sie hier nochmals die Animation von Aileen Howlett

von der F+F Schule für Kunst und Design.

Animation: Entlastungsdienste – SRK Kanton Aargau